Einen Kaffee bitte !

Aber einen ordentlichen...


Ist Ihre Kaffeemaschine auch aelter als Sie selbst ?

Falls ja, willkommen im Club. Falls nein, macht nichts. Als Anhaenger simpler Technik, die schlicht funktioniert und nicht gleich bei dem geringsten Zipperlein aufgibt, sind Sie hier genau richtig.

1959

Das Wirtschaftswunder nimmt seinen Lauf und meine Eltern hatten ihr neu erbautes Haus bezogen. Trotzdem war wohl noch "etwas" Geld uebrig... und mein Vater beschaffte eine Gastronomie Kaffeemaschine von WMF vom "Typ 1000 Blitz" (siehe aus einem alten Prospekt gescanntes Bild links). Direkter Anschluss an die Wasserversorgung, automatisches Ein- und Ausschalten des Heizelementes, ein gesondertes Ventil zur Bereitung von heissem Wasser oder Tee und dergleichen - und es passt jegliches Gefaess (egal ob 2 Liter "Gelbe Rose" oder die Mokkatasse "Form 2000") unter die Auslaesse. Nicht nur ein bestimmtes...

"So eine Maschine haben wir auch !" konnte ich als kleiner Junge dem kellnernden Personal des Cafe Overbeck (ein Name in Essen) verkuenden, dessen Besuch Abschluss eines jeden Stadbummels mit meinen Eltern in den 60er und fruehen 70er Jahren war. Konnte man einen Blick in die Kueche erheischen, erblickte man dort gleich mehrere Maschinen dieses Typs und auch noch eine vom "Typ 2000" - diese besass mit 2 Litern die doppelte Kapazitaet.

Das Cafe Overbeck ist mittlerweile Geschichte, lebt aber dank ARCHIVE.ORG virtuell weiter - der obige Link fuehrt auf den Zustand der Website von 2012.

Mehrere Kubikmeter Wasser laufen durch die Maschine daheim, bis....

1974

der WMF Servicetechniker (damals noch Monteur genannt) kommen musste, um das Betriebsartenventil auszutauschen (meinem Vater lagen eher die kaufmaennischen Taetigkeiten). Ich erinnere mich an nur einen weiteren Besuch eines Technikers in meinem Elternhaus Mitte der 80er, als nach etwa 25 Jahren das Heizelement getauscht werden musste. Kurz darauf verlies ich das Elternhaus und vermisste den Kaffee aus dieser Maschine sehr - alles andere schmeckte wie mit einem Bohnendurchschussgeraet gekocht...

1999

wird nach dem Tod meines Vaters das Haus verkauft - aber ohne die Maschine. Aufgrund eines eigenen bevorstehenden Umzugs in ein neues Domizil wird die Maschine zunaechst eingelagert.

2001

Im neuen Domizil angekommen, versuche ich, einen Installateur zu beauftragen, die Maschine an das Wassernetz des Hauses anzuschliessen. Der kommt sich offenbar veralbert vor und erscheint zum vereinbarten Termin erst gar nicht - ein zweiter Versuch bei einem anderen Betrieb ist von Erfolg gekroent. Die Maschine haengt an der Wand und an der Wasserleitung.

Bei der neuerlichen Inbetriebnahme stellt sich jedoch eine Undichtigkeit der Umlenkmechanik fuer das automatische Ein- und Ausschalten am Kessel heraus. Ein kurzer Anruf bei WMF und keine drei Stunden spaeter steht der Kundendienst vor der Tuer. DAS nenne ich Service !

Der fachkundige Mann erzaehlt, er haette selber so ein Geraet daheim, ausserdem sei noch so ein gutes Stueck in seinem Gebiet in einer Gaststaette in Betrieb. Nach kurzer Analyse greift er zum Telefon und ruft in Geislingen an...



Undichter Federbalgschalter - Umlenkmechanik zur Uebermittlung des
Schwimmerstandes an den ausserhalb liegenden Quecksilberschalter.

"Hallo, Frau.... ich habe hier eine Maschine, die ist aelter als Sie !"

Der Servicetechniker bestellt (nach 42 Jahren !) telefonisch das noetige Ersatzteil, den Federbalgschalter (siehe Bild oben rechts) und steht drei Tage spaeter wieder in der Tuer - mit dem Teil im Gepaeck.

Die Reparatur nimmt keine 30 Minuten in Anspruch und es wird zwecks Tests erst einmal eine Kanne Kaffee gekocht - der schmeckt nach Jahren des Entzugs himmlisch...
Nach einer zweiten Kanne Kaffee (1 Liter Kaffee pro Person binnen 30 Minuten ist schon rekordverdaechtig) erklaert der Servicetechniker die Maschine wieder fuer vollstaendig einsatzbereit. Obendrein lobt der gute Mann auch noch den Zustand der Maschine. Eine 1000er in solch einem guten Zustand haette er schon sehr lange nicht mehr gesehen.
Aber das Schauglas der Wasserstandsanzeige gefaellt ihm aufgrund von ein paar Kalkablagerungen nicht - er verschwindet in seinem Kundendienstfahrzeug, um kurz darauf mit einem nagelneuen Schauglas zurueck zu kehren.

Ich soll danach tagelang mit einem breiten Grinsen gesichtet worden sein...

2008

Die Maschine schaltet beim Kaffeekochen vorzeitig ab und der Kessel wird nicht vollstaendig entleert. Ein paar Tests ergeben, dass der Schwimmer zur Erfassung des Fuellstands in der Maschine undicht sein muss (siehe Bild unten links). Eine kurze telefonsiche Ruecksprache mit dem bekannten WMF-Servicetechniker bestaetigt das Malheur.
Aber er verspricht Rettung ... und erscheint ein paar Tage spaeter mit einem neuen Schwimmer, den er innerhalb weniger Minuten austauscht.
Wenn doch nur alles so unkompliziert waere !
  Modell von 1959 - mit Modifikationen bei Boiler und Filteraufnahme

Undichter Schwimmer - der waere auch ohne Leck bald dran gewesen...

2009 - Jetzt helfe ich mir selbst...


Einige Tage nach Arbeiten an der oeffentlichen Wasserversorgung ist der Auslass fuer das manuelle Ventil zur Entnahme kochenden Wassers scheinbar leicht verstopft - die instantane Idee, die Stadtwerke mit den Reparaturkosten zu belasten, wird aus verstaendlichen Gruenden verworfen...

Nachdem mir nun hinreichend klar ist, wie das Geraet aufgebaut ist und funktioniert, wird ein 41er-Maulschluessel besorgt (nicht im Baumarkt erhaeltlich - zu gross). Der erscheint tauglich, laestige Anwesende einzuschuechtern, ist aber zum Oeffnen des oberen Deckels der Maschine gedacht.



Filteraufnahme, Skalenblech, Betriebsartenventil, Filterdusche vor der Reinigung
Dazu der Spezial-Kesselsteinloeser von WMF - der putzt was weg...
Die Pfeifenreiniger dienen dem Saeubern des Kanals zum manuellen Auslass.

Demontage des Ventils fuer manuellen Auslass

Blick auf die gereingte Dusche

Eine prima Gelegenheit, auch einige andere Teile der Maschine zu reinigen. Der Auslass im Bereich des Kaffeefilters hat es besonders noetig...

Ein Blick ins Innere des Kessels offenbart Schmutz aus der Wasserleitung, der sich vor dem Auslass gesammelt hat. Dasselbe, was man gelegentlich auch im Sieb des Perlators eines Wasserhahns findet. Leicht zu beheben.

Da das Ventil fuer den manuellen Auslass gelegentlich leckt, wird dieses zur Inspektion vorsichtig abgebaut (siehe Bild rechts oben). Eine zu grosse Verwindung beim Loesen der Schraubverbindungen gegenueber der Achse des Schauglases wuerde zu dessen Zerstoerung fuehren.
Nachdem das Ventil zerlegt ist, stellt sich heraus, dass nur die Gummichtung des Ventilsitzes defekt ist - Ersatz findet sich in der entsprechenden Kiste im Keller.


Nun ist die Maschine mittlerweile mehr als 55 Jahre alt und versieht, dank ein wenig aufmerksamer Pflege, ihren Dienst wie am ersten Tag - Technik, die begeistert.

Spieglein, Spieglein an der Wand...

Das folgende Bild zeigt die Entwicklung der 1000 Blitz im Laufe der Jahre. Von links nach rechts zeigt es die Maschinen von 1968, 1959 und 1954.


Ein Klick auf das Bild oeffnet eine groessere Darstellung.

Die signifikantesten Unterschiede sind bei den unterschiedlich grossen Siebtraegern zu finden - Ende der 60er Jahre fand nur noch der groesste mit 112mm Durchmesser Verwendung, was eine Vereinheitlichung mit der 2000 Blitz war.

Ahnenforschung


Die ersten Maschinen des Typs 1000 Blitz kamen im Fruehjahr 1953 auf den Markt und wiesen einige kleine Unterschiede gegenueber den ab Herbst 1954 gebauten Maschinen auf. Das folgende Bild zeigt eine dieser fruehen Maschinen des Typs 1000, im noch nicht vollstaendig restaurierten Zustand:



Unmittelbar ins Auge faellt die Verschlussschraube auf dem Deckel, welcher der Drehknopf spaeterer Maschinen zur Umstellung der Betriebsart (Kaffee- oder Heisswasserzubereitung) fehlt. So auch zu sehen in der Werbung von 1953.

Zur Bereitung heissen Wassers musste noch die gesamte Verschlussschraube ein Stueck heraus gedreht werden. Verschlussschrauben des alten Typs lassen sich aber problemlos durch die neueren, komfortableren ersetzen - die Gewinde sind identisch.


Die 70mm Siebhalter der zuerst hergestellten Maschinen wiesen eine groessere Tiefe auf als die, der spaeteren Maschinen mit 87mm und 112mm Siebhaltern - irgendwo musste das Kaffeepulver ja hin...
Das Bild rechts oben zeigt den Wasserauslass, der normalerweise unsichtbar ist, da er durch eine "Dusche" abgedeckt ist, welche das Wasser auf die gesamte Flaeche des Siebs verteilt.



Die Verschlussschrauben der ersten Generation haben noch keinen Drehknopf zur Entlastung des Ventils. Zur Bereitung heissen Wassers musste die Verschlussschraube geloest werden.

Ein weiterer Unterschied zu den spaeteren Maschinen bestand in der Weite des Deckelsechskants mit 38mm anstatt 41mm.